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Kompendien Mercedes-Benz Setra

Baumuster von Daimler-Omnibussen

Ein Überblick über die Arten, den Aufbau und die Geschichte der Baumuster im Omnibus-Bereich von Daimler.

Um die komplexe Typenvielfalt der Fahrzeuge mit all ihren Varianten abbilden zu können, hat die Daimler-Benz AG nach dem 2. Weltkrieg die sogenannten Baumuster eingeführt. Diese beschreiben nicht nur die Zugehörigkeit zu einer konstruktiv gleichen Fahrzeugbaureihe, sondern können auch – je nach Baureihe – Aufschluss darüber geben, welche Karosserieform, Fahrzeugkonfiguration oder sogar Antriebsstrang verbaut ist. Des Weiteren lässt sich anhand des Baumusters auch die Modellbezeichnung des Fahrzeuges (bei Omnibussen nur bis Anfang 1970er-Jahre) ableiten.

Während zunächst das Aufbau-Schema der Baumuster bei allen Fahrzeugen von Daimler identisch ist, unterscheidet sich der Aufbau je Fahrzeugkategorie zunehmend.

Arten von Baumustern

Bei Daimler gibt es zwei Arten von Baumustern: die Fahrzeugbaumuster und die Aggregatbaumuster.

Fahrzeugbaumuster

Das Fahrzeugbaumuster beschreibt die Baureihenzugehörigkeit sowie die Konstruktionsmerkmale des betreffenden Fahrzeuges und definiert so das Baumuster für ein fahrfertiges Produkt.

Im Detail bestehen Fahrzeug- und Aggregatbaumuster aus

  • der Fahrzeugbaureihe bzw. Typzahl
  • der genauere Spezifikation des Baumusters – dem Baumustermerkmal.

Das Fahrzeugbaumuster enthält zusätzlich noch

  • die Lenkung bzw. den Zerlegungsgrad und
  • die Aufbauart.

Das Fahrzeugbaumuster findet sich seit der Nachkriegszeit auch in der Fahrgestell-Identifizierungsnummer (FIN) wieder. Im Normalfall wird das Fahrzeugbaumuster hierbei vollständig ausgegeben, jedoch kommt es bei einigen Produktionsstätten vor, dass nicht das vollständige Fahrzeugbaumuster in der FIN abgebildet wird. Beispielsweise sei hier das EvoBus-Produktionswerk Ligny-en-Barrois in Frankreich erwähnt, bei dem in der FIN der Abschnitt “Aufbauart” des Fahrzeugbaumusters durch die Werkskennung 0 verdeckt wird.

Die US-Norm für Fahrzeug-Identifizierungsnummern sieht im Gegensatz zu der europäischen Norm nur drei Zeichen für die Beschreibung des Fahrzeugtyps vor. Dies hat zur Folge, dass das Fahrzeugbaumuster nicht wie bei der europäischen Version komplett in der FIN angegeben werden kann, sondern vom Hersteller verschlüsselt wird. Hierbei sind lediglich die letzten zwei Ziffern der Baumustermerkmale lesbar; diesen vorangestellt wird ein Buchstabe.

Aggregatbaumuster

Ein Aggregatbaumuster definiert Komponenten und deren Merkmale, die in sich funktional sind, jedoch selbst kein eigenes Fahrzeug darstellen. Dies betrifft u. a. Komponenten wie Motoren, Getriebe, Achsen oder Aufbauten.

Komponenten wie Getriebe und Achsen werden meistens in Baureihen mit Typzahlen im 700er-Bereich zugeteilt. Einige hiervon stammen z. T. von Fremdherstellern, bekommen jedoch ein eigenes Baumuster zugewiesen.

Fahrzeugmotoren verfügen ebenfalls über ein Baumuster und können – wie Getriebe oder Achsen – ursprünglich von Fremdherstellern stammen. Die Typzahl entspricht in vielen Fällen der Modellbezeichnung des Motors, kann jedoch auch innerhalb einer Motorenbaureihe abweichen.

Die Aggregatgruppe für Aufbauten stellt nicht zwangsweise die klassische Art von Fahrzeugaufbauten dar, die auf ein Fahrgestell aufgebaut werden. Vielmehr handelt sich um eine Grundkonfiguration des Gerippes mit dazugehörigen Teilen (Türen, Klappen, Scheiben, Streben etc.), die für bestimmte Fahrzeugbaumuster vorgesehen sind. Bis in die 1990er-Jahre war es üblich, dass bei einem Omnibus aus je einem Fahrzeug- und einem Aggregatbaumuster für den Aufbau bestand. Mit Einführung der 500er-Baureihen (O 530, O 580 etc.) entfallen die Aggregatbaumuster für Aufbauten; diese werden heute nur noch bei klassischen Fahrgestell/Aufbau-Konstruktionen – wie beispielsweise einem Mercedes-Benz Sprinter City – verwendet.

Beispiel für die verschiedenen Baumuster eines Fahrzeugs

Auflistung der verwendeten Fahrzeug- und Aggregatbaumuster anhand eines 1993er Mercedes-Benz O 407.

BaumusterKategorieBeschreibung
C 357.110-13FahrgestellMercedes-Benz O 407 mit Kofferraum für OM 447 h II (Euro 1)
D 357.717AufbauMercedes-Benz O 407 mit Kofferraum
D 447.954MotorMercedes-Benz OM 447 h II (220 kW, Euro 1)
D 714.604GetriebeMercedes-Benz GO 4/95-5/5,1
D 739.236VorderachseMercedes-Benz VO 4/18 DL-7
D 748.514HinterachseMercedes-Benz HO 7/9 DL-10

Fahrzeugbaumuster werden mit dem Kennbuchstaben C gekennzeichnet, Aggregatbaumuster mit dem Kennbuchstaben D.

Aufbau des Baumusters

Beim den folgenden Beispielen wird jeweils ein Fahrzeugbaumuster aus den 1960er-Jahren für einen Mercedes-Benz O 302 und aus den 2010er-Jahren für einen Mercedes-Benz Citaro dargestellt.

Beispiel 1: Baumuster eines Mercedes-Benz O 302:
302 . 299 - 5 0
Typzahl der Baureihe  1. – 3. Stelle
Baureihe 302 / Mercedes-Benz O 302
Siehe Abschnitt Typzahl der Baureihe
Baumustermerkmal  4. – 6. Stelle
O 302-12 RÜ in Türkei-Ausführung
Siehe Abschnitt Baumustermerkmale
Lenkung & Zerlegungsgrad  7. Stelle
Linkslenker, zerlegt (CKD)
Siehe Abschnitt Lenkung & Zerlegungsgrad
Aufbauart  8. Stelle
Aufbauunabhängig
Siehe Abschnitt Aufbauart
Beispiel 2: Baumuster eines Mercedes-Benz Citaro C2:
628 . 036 - 1 3
Typzahl der Baureihe  1. – 3. Stelle
Baureihe 628 / Mercedes-Benz Stadtbus
Siehe Abschnitt Typzahl der Baureihe
Baumustermerkmal  4. – 6. Stelle
Citaro 2. Generation, 2-Achser, Niederflur, Diesel, Euro 6, 2-Türer, Neue Elekrik-Elektronik-Struktur
Siehe Abschnitt Baumustermerkmale
Lenkung & Zerlegungsgrad  7. Stelle
Linkslenker, Komplettfahrzeug
Siehe Abschnitt Lenkung & Zerlegungsgrad
Aufbauart  8. Stelle
Komplettes Fahrzeug
Siehe Abschnitt Aufbauart

Typzahl der Baureihe

Die Typzahl ist die numerische Bezeichnung der Baureihe. Diese besteht immer aus drei – i. d. R. numerischen – Zeichen. Nutzfahrzeugen respektive Omnibussen wurden zunächst Typzahlen im Bereich 300 aufwärts zugeordnet. Im Laufe der Zeit wurden für Omnibusse auch Typzahlen im 600er- und später im 400er-Bereich verwendet. Bei einigen Baureihen für Aggregatbaumuster werden auch alphanumerische Zeichen als Typzahl verwendet.

Bis Anfang der 1970er-Jahre fand sich die Typzahl der Baureihe in der Modellbezeichnung des Fahrzeugs wieder.

Beispiel
Das Baumuster 317.236-10 hat die Typzahl 317; die Modellbezeichnung lautet demzufolge O 317.

Seit den frühen 1970er-Jahren werden die Modellbezeichnungen aus Vermarktungsgründen bewusster gewählt, um die Stellungen der einzelnen Baureihen innerhalb der Modellpalette stärker hervorzuheben. Hierdurch entstünden jedoch in manchen Baureihen Konflikte mit bereits verwendeten Typzahlen anderer Baureihen, sodass seither die Typzahl von der Modellbezeichnung abgekoppelt wird.

Beispiel
Die 1974 vorgestellte Reisebus-Baureihe des Mercedes-Benz O 303 wird der Typzahl 301 zugeordnet, da die Typzahl 303 schon durch die Frontlenker-Omnibus-Baureihe O 5000 vergeben ist.

Baumustermerkmale

Für die genauere Bestimmung der Konstruktions- und Ausstattungsmerkmale des Baumusters folgen nach der Typzahl der Baureihe die Baumustermerkmale. Diese bestehen aus drei numerischen Zeichen, wobei jedes Zeichen eine Detail-Ebene des Baumustermerkmals darstellt.

Welche Konstruktions- und Ausstattungsmerkmale die einzelnen Ebenen des Baumustermerkmals darstellen, hängt immer von der jeweiligen Baureihe ab. Wenn die Vielfalt der Baumuster innerhalb einer Baureihe mit der Zeit zunimmt, wird das bestehende System für die Zuweisung der einzelnen Ebenen häufig nicht mehr eingehalten.

Beispielhafte Aufschlüsselung der verschiedenen Ebenen anhand der Baureihe 628

Die primäre Ebene beschreibt grob die Länge der Fahrzeuge, die sekundäre Ebene gibt die generelle Modell-Konfiguration an und die tertiäre Ebene steht für die verwendete Türkonfiguration.

Primäre Ebene
Beispiel-BaumusterZahlen-BereichBeschreibung
628.043-13000er-BereichCitaro-Niederflurbus, 2-Achser
628.147-13100er-BereichCitaro-Niederflurbus, 3-Achser
628.233-13200er-BereichCitaro-Niederflur-Gelenkbus, 3-Achser
Beispielhafter Auszug für die Baureihe 628
Sekundäre Ebene
Beispiel-BaumusterZahlen-BereichBeschreibung
628.043-1340er-BereichCitaro, Euro 3, Diesel
628.050-1350er-BereichCitaro, Euro 3, Diesel, Motor in Turmbauweise
628.083-1380er-BereichCitaro, Facelift, Diesel
628.090-1390er-BereichCitaro, Facelift, Diesel, Motor in Turmbauweise
Beispielhafter Auszug für die Baureihe 628, speziell 1. Generation Citaro
Tertiäre Ebene
Beispiel-BaumusterZahlen-BereichBeschreibung
628.040-230er-BereichStadtversion, minimale Türanzahl
628.043-233er-BereichStadtversion, standardmäßige Türanzahl
628.045-135er-BereichStadtversion, maximale Türanzahl
628.047-137er-BereichÜberlandversion, standardmäßige Türanzahl
Beispielhafter Auszug für die Baureihe 628, 1. Generation Citaro Diesel

Lenkung und Zerlegungsgrad

Während die Baumustermerkmale die genauen Konstruktions- und Ausstattungsmerkmale des Fahrzeuges beschreiben, gibt es auch eine Möglichkeit, die Aufbauvarianten eines Fahrzeuges über das Baumuster zu bestimmen. Genau genommen kann sowohl die Position der Lenkung als auch der Zerlegungsgrad des Fahrzeuges dargestellt werden.

Als Kennziffer für die Lenkung bzw. den Zerlegungsgrad stehen die Folgenden zur Verfügung:

KennzifferLenkungZerlegungsgrad
0NeutralKomplettfahrzeug
1LinkslenkerKomplettfahrzeug
2RechtslenkerKomplettfahrzeug
4NeutralZerlegt (CKD)
5LinkslenkerZerlegt (CKD)
6RechtslenkerZerlegt (CKD)

Info
Die Bezeichnung Completely Knocked Down (CKD) bezeichnet die Fertigung eines Fahrzeuges, welches das Produktionswerk nicht als vollständig fahrfertiges Vehikel verlässt, sondern für die Endmontage in einem Drittstaat zerlegt wird.

Aufbauart

Einige Fahrzeugbaumuster können sowohl als vollständiges Fahrzeug (Integral) als auch als Fahrgestell in verschiedenen Ausführungen gefertigt werden. Um die verschiedenen Aufbauarten im Baumuster mit anzugeben, erfolgt die Angabe der Aufbaustufe verschlüsselt als Kennziffer am Ende des Fahrzeugbaumusters.

Zu Beginn wurden jegliche Fahrzeugbaumuster mit der Kennziffer 0 als aufbauunabhängiges Fahrzeug deklariert. Erst mit Anfang der 1970er-Jahre finden auch die anderen Kennziffern Schritt für Schritt Verwendung.

Die verwendeten Kennziffern der Aufbauarten sind die folgenden:

KennzifferAufbauart
0Aufbauunabhängiges Fahrzeug
1Fahrgestell mit Vorbau
2Fahrgestell mit Fahrerhaus
3Komplettes Fahrzeug
9Fahrgestell mit Podest
Kennziffer der Aufbauart

Interne Darstellung des Baumusters

Auf den ersten Blick lassen sich Fahrzeug- und Aggregatbaumuster nur schwer voneinander unterscheiden, insbesondere weil sie über einen ähnlichen Aufbau verfügen und die Typzahlen zum Teil identisch sind. Um jedoch eine schnelle Unterscheidung zu ermöglichen, werden diesen Baumustern spezielle Kennbuchstaben vorangestellt, die anzeigen, um welchen Typ von Baumuster es sich handelt.

Bei Fahrzeugbaumustern wird der Kennbuchstabe C diesen vorangestellt, bei Aggregatbaumustern der Buchstabe D. Die Kennbuchstaben haben keine nähere Bedeutung, sondern wurden fortlaufend dem Alphabet für verschiedene Objektgruppen vergeben.

Im gesamten Umfeld des Herstellers gibt es einige weitere Gruppen von Objekten, denen zur einfacheren Einordnung Kennbuchstaben vorangestellt werden. Ein Beispiel hierfür ist der Buchstabe A, der für Teilenummern verwendet wird.

Auf die anderen Kennbuchstaben wird hier nicht weiter eingegangen.

Beispiele der internen Darstellung

Beispiel: Fahrzeugbaumuster für Mercedes-Benz Citaro C2:
C   628.036-13
Kennbuchstabe  1. Stelle
C für Fahrzeugbaumuster
Baumuster  2. – 11. Stelle
Beispiel: Aggregatbaumuster für Mercedes-Benz OM 470:
D   470.915
Kennbuchstabe  1. Stelle
D für Aggregatbaumuster
Baumuster  2. – 8. Stelle
Frontansicht von in Reihe gestellter Omnibusse der Marken Mercedes-Benz und Setra.

Baumuster-Liste

Aufgelistet werden die Baumuster einiger Omnibus-Baureihen von Mercedes-Benz und Setra der Hersteller Daimler und EvoBus.

Hinweis: Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr auf Vollständigkeit, Richtigkeit und Aktualität.

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